Zeitarbeit im Wandel Drucken
Mittwoch, den 31. Dezember 2008 um 00:00 Uhr

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"Himmelhoch jauchzend - zu Tode betrübt" könnte man meinen, wenn man den journalistischen Beiträgen wie auch den derzeit gängigen Argumentationen der Öffentlichkeit folgt. Gemeint ist der "ehemals" größte  und hoch gelobte Job-Motor der deutschen Gesellschaft - nämlich die Zeitarbeit.

Verabschiedet man sich vom sicherlich unangenehmen Wort der "Arbeitnehmerüberlassung", selbst in mancher sogenannter Fachzeitschrift als "moderne Sklaverei" bezeichnet,  beschreibt der Begriff Zeitarbeit grob die gewerbsmäßige Überlassung von Arbeitskräften bei der der sogenannte "Entleiher" sowohl die Einsatzdauer als auch die eigentliche Art der Tätigkeit nahezu nach Belieben bestimmen kann. Noch vor nicht einmal 6 Monaten zum ultimativen Job-Motor des deutschen und europäischen Wirtschaftsaufschwunges gekürt, prügelt man nun flächendeckend bereits verbal auf die Branche ein, da ein massiver Jobabbau wohl tatsächlich zuerst in dieser Branche zu verzeichnen sein wird.

Dabei sollte man sich einmal vor Augen halten, daß speziell in unserer deutschen Gesellschaft dieser Form der Schaffung von Arbeitsplätzen durch die Strukturen innerhalb des deutschen Arbeitsmarktes erst der Weg geebnet wurde. Starre verkrustete Organisationen sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite, zusätzlich mit dem ultimativen Unsinn behaftet, flächendeckende Tarifverträge könnten noch immer brachenweit für alle Beteiligten gelten, zwangen einen Großteil selbst "großer Arbeitgeber" schon in den 90ern dazu, neue Wege innerhalb der eigenen Personalpolitik zu gehen. Vermochte die Form der Tarifverträge noch in den 70er und 80er Jahren, behaftet und gesegnet mit stetigem Wirtschaftswachstum, den Unternehmen Planbarkeit und den Mitarbeitern kontinuierliche Lohnerhöhungen und steigende Kaufkraft bescheren, ist diese Form der Lohnpolitik heute gänzlich überholt. Die Theorie mit stetig steigenden Löhnen die Kaufkraft und vor allem die Nachfrage innerhalb des deutschen Marktes anzukurbeln, führte lediglich zu steigenden Kosten und steigenden Preisen, niemals jedoch zu steigendem Konsum. Dabei war durch die Globalisierungspolitik der Kohl-Regierung bereits Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre klar, daß die einzelnen lokalen nationalen Märkte immermehr zu einem großen europäischen Markt zusammenwachsen würden. Diese Entwicklung war durchaus gewollt, da man sich der scheinbar übermächtigen amerikanischen Volkswirtschaft als gemeinschaftliche europäische Wirtschaftsmacht entgegen zu stellen gedachte. Eine der unangenehmen Folgen allerdings war auch, daß innerhalb der entstandenen europäischen Freihandelszone, gekrönt mit einer einheitlichen europäischen Währung und stetig wachsenden Grenzen, ein neuer Wettbewerb der zusammenwachsenden ehemals nationalen Märkte entstand, die sich auf völlig verschiedenen Niveaus befinden. Eine weitere, aus deutscher Sicht unangenehme, Folge der Globalisierung war die Vereinfachung der Datenübertragung und Nachrichtetnübermittlung, Speicherung und Kommunikation, die es Unternehmen ermöglichte über weite Strecken hinweg nahezu ohne Zeitverzug Informationen zu übertragen und damit auch Entscheidungen zu fällen. Aufstrebende asiatische, indische oder andere Volkswirtschaften aus Schwellenländern brachten zusätzlichen Druck auf die hiesigen, deutlich zu hohen, Produktionskosten.

Somit  mussten die Stellschrauben und Regelungen der deutschen Volkswirtschaft (speziell auch die für die Lohn- und Arbeitspolitik), die bisher auf  nationaler Ebene annähernd gut funktionierten und auch nur national ausgelegt und erprobt waren, zunehmend sowohl im innereuopäischen als auch im außereuropäischen Wettbewerb bestehen. Dies geht bis heute gründlich schief... .

Leider wurden durch die Politik innerhalb der letzten 10 - 15 Jahre keine nennenswerten Erfolge in der Liberalisierung und Flexibilisierung der deutschen Arbeitsmärkte erzielt. Dies ist auch nicht verwunderlich, da weder die Politik - unpopuläre Maßnahmen bringen im Allgemeinen keine Wählerschaft - als auch die extrem starken und mächten Lobbyisten der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände ein Interesse haben, ihre eigenen seit gut 30 Jahren bestehenden Pfründe aufzugeben. Ein hervorragendes Beispiel hierfür lieferte die IG Metall in Verbindung mit dem Generationswechsel hin zu dem Vorsitzenden Peters. In dieser Zeit gipfelte der Wahn der IG Metall in einem Versuch in Ostdeutschland (Thüringen) die 35 Stundenwoche durchzusetzen, wo ganz Deutschland (einschließlich der deutsche Staat) versuchte die irrsinnig kurz gewordenen und nebenbei völlig unproduktiven Arbeitszeiten wieder zu verlängern. Herr Peters hatte sich mächtig vergaloppiert und die IG Metall war kurzzeitig von Auflösungserscheinungen bedroht. Massiver Mitgliederschwund kam hinzu. In dieser wirklich historischen Stunde versäumte es der Arbeitgeberverband,  der, in dieser existierenden Form, taumelnden und unnötigen Gewerkschaft den Gnadenstoß zu verpassen. Die Chance einer Initialzündung zur Liberalisierung des Arbeitsmarktes sowie der Entmachtung der Gewerkschaften war vertan. Der Arbeitgeberverband unter Herrn Hundt hätte bei entschlossenerem Vorgehen wohl auch seinen wichtigsten Widerpart verloren und gleichbedeutend im Nachgang seine Form, Größe und Machtfülle in Frage gestellt. Wer sägt schon den Ast ab auf dem er sitzt? Ergo, hält man seinen Mund und geht lieber nach "Redaktionsschluß" gemeinsam einen trinken ... .

Die Situation ist also unverändert und um Gewinne zu erzielen, muß rationalisiert werden. In Boom-Zeiten Personal aufzubauen war wohl erwünscht und den Tarifverträgen untergeordnet, Personal freizusetzen dagegen erheblich schwieriger und natürlich wesentlich teurer. An dieser Stelle muss ausdrücklich angeführt werden, daß die Weitsichtigkeit und vor allem die Nachhaltigkeit der Unternehmensführung dramatisch an Bedeutung verloren hatte und im Zeitalter der Börse  und der 5-Jahresverträge für Vorstandsmitglieder und andere hochrangige Angestellte "hauptsächlich" die virtuelle Wertvermehrung  des Unternehemens Priorität genoss, keinesfalls aber deren langfristige Sicherung. Ergänzend muß allerdings auch angeführt werden, daß die Schlupflöcher der viel zu lasch agierenden Politik arbeitgeberseitig erheblich ausgenutzt wurden um auf dem Rücken der Zeitarbeiter Profitmaximierung zu betreiben. Und so hat es die Bundesregierung noch immer nicht geschafft, um die Branche der Zeitarbeit ein vernünftiges Gerüst zu bauen, daß würdige Arbeitsbedingungen und Vedienstmöglichkeiten mit Flexibilität und Entscheidungsfreiheit der Arbeitgeber verbindet.

Der Drang der Arbeitgeber jedoch zu flexibleren Lösungen innerhalb der Personalpolitik brachte völlig neue Möglichkeiten für die Branche der Zeitarbeit und so wurde die Branche quasi über Nacht vom belächelten "Sklaventreiber" zum Hoffnungsträger, da aufgrund von ungeregeltem Arbeitsmarkt selbst langzeitarbeitslose und ungelernte Kräfte über Billigstlöhne wieder in Arbeit gebracht werden konnten. Hierbei ist im System auch sichtbar, daß sehr wohl eine Nachfrage nach ungelernten und sicherlich unproduktioveren "Langzeitarbeitslosen" bei entsprechenden Preisen besteht. Sicherlich ist hier Politikseitig eine vernünftige Balance zu finden. Allerdings steht auch außer Frage, daß diese Qualifikationen nicht tarifgebunden und gleich den anderen Kollegen bezahlt werden darf, wie es durch Tarifverträge verpflichtend vorgesehen wäre.

Die Branche der Zeitarbeit hat hierbei eine historische Chance, die bisherigen starren Strukturen aufzuhebeln, indem vernünftig bezahltes, zufriedenes und qualifiziertes Personal zu vernünftigen Preisen innerhalb der deutschen Industrie nicht nur Arbeitsplätze ersetzt, die aufgrund von Produktionsschwankungen oder saisonalen Schwankungen sowie der restriktiven Tarifpolitik der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände von Arbeitgebern nicht durchgängig besetzt werden, sondern auch die Gewerkschaften und die Politik dazu zwingt, die veralteten Strukturen und Regelungen endlich aufzulockern und die Lobbyisten zu entmachten. Erst dann, wenn durch Neustrukturierung der Gewerkschaften und Verbände viele neue Arbeitlose hinzugekommen sind, werden wir den Scheitelpunkt erreicht haben und sind vielleicht wieder in der Lage am Weltmarkt auch in Sachen Produktionskosten wettbewerbsfähig zu sein. Eine wesentliche Bedingung geht allerdings damit untrennbar einher. Die Arbeitgeberseite muss die Arbeitnehmer vernünftig an den Gewinnen des Unternehemens beteiligen und somit ein Gleichgewicht "ohne" zutun der Gewerkschaften schaffen.